Mit dem Harz hatte ich es nie so.
Langweilige Autotouren und dann noch langweiligere Wanderungen mit meinen Eltern, das hat als Kind bei mir scheinbar keinen positiven Eindruck hinterlassen. Vielleicht lag es auch an der Grenze, an diesem unnatürlichen Zaun, der den natürlichen Park brutal zerteilte und Ost wie West in spießiger Einöde verkümmern ließ.
Das hat sich alles längst geändert, der Harz hat aufgerüstet und vor allem die Orte des Ostharzes, die zu DDR Zeiten vergessen schienen (gut so! Deshalb wurden sie nicht kaputt renoviert!) erlebten in den letzten 28 Jahren eine Renaissance und glänzen heute mit traumhaften Villen aus der Jahrhundertwende, mittelalterlichen Städten, imposanten Kirchen, Schlössern (Wernigeroder Schloss, siehe Foto oben!) und Titeln wie UNESCO Weltkulturerbe (Quedlinburg!).
Zu Recht, die flächendeckende gut erhaltene Bebauung aus acht Jahrhunderten ist schlichtweg märchenhaft.
Ein Disneyland, nur eben ganz echt.
Am vergangenen Wochenende, Freunde fragten uns spontan, ob wir nicht mit ihnen in den Harz kommen würden, war ich endlich bereit, dem verhassten Ausflugsziel meiner Kindheit eine zweite Chance zu geben.
Und wie ich bereit war und das Wetter war es auch: der Harz war tief verschneit und dazu strahlte die Sonne!
Wir trafen uns dann auch im Ostharz am Schierke Bahnhof, ein Gebiet, das mir gänzlich unbekannt war, denn bereits zu meiner Geburt war der Brocken und die östlichen Orte militärisches Sperrgebiet der DDR.
Längst gehört die kleine »Bahnhofsbaude« in Schierke, die Schutzhütte mit deftigem Mittagessen,
zum angesagten Ausflugsziel und dort kann man auch in die Harzer Schmalspurbahn steigen,
die Bahn mit Dampflok, die regelmäßig Wanderer, Langläufer und
Schlittenfahrer auf den Brocken befördert.
25 Euro kostet die einfach Fahrt für Erwachsene, Kinder bis 11 Jahre zahlen die Hälfte.
Ein unbeschreibliches Erlebnis, wenn auch nicht wirklich günstig, aber dafür fühlt man sich hier ein wenig wie im Märchen oder wie bei Harry Potter.
Hogwart Express comes to mind, wenn sich die alte schwarz-rote Lok durch die verschneite Bergwelt auf die Spitze des Brockens ächzt. Wem die Fahrt zu teuer ist, der kann übrigens auch wandern.
Sieben Kilometer sind es bis nach oben, sieben Kilometer auf schmalen und verschneiten Wegen, das ist anstrengend, aber wunderschön!
Wer hier (teilweise ziemlich prustend und schnaubend) nach oben steigt und an den Lichtungen die Aussicht genießt,
der ahnt, warum es Goethe sogar mehrfach an diesen magischen Ort zog.
Naja, man ahnt es nur, wenn man es weiß?!
Ich wusste es nicht, trotz Bookclub und Germanistikstudium hatte ich keine Ahnung, wieso und warum es den Johann Wolfgang drei Mal in den Harz verschlagen hat?!
Aber jetzt, seitdem ich es weiß, ist mir klar, warum er sich von dieser Bergwelt inspirieren ließ.
Sein Meisterwerk, der »Faust«, wurde deutlich von seinen Harzer Erfahrungen geprägt und viele Szenen in dieses Gebirge verlegt.
Die Walpurgisfeier auf dem Brocken und die Brockenhexe haben im Faust ihren Ursprung.
Darauf ist man hier mächtig stolz,
weshalb dann auch ab April wieder die etwas publikumswirksamere Version vom Faust,
ein Musical mit Heavy Metal Tönen, vom Brocken dröhnt.
(Informationen zu den Tickets gibt es hier!)
Nach Goethe kamen aber noch viele weitere Dichter und Künstler in den Harz, um sich inspirieren zu lassen,
der Maler Caspar David Friedrich zum Beispiel.
Wenn man die Landschaft so sieht?
Das ähnelt doch stark seinen Bildern!
Ich bin mir auch sicher, während der Woche kann man ganz alleine und verträumt durch diese schöne Bergwelt ziehen.
Oder man muss sich eben Wege abseits der Touristenströme suchen!
Die gibt es, sind aber deutlich beschwerlicher und im Schnee nicht prepariert.
Szenenwechsel:
wir haben die Dichter und Künstler der Romantik und die Natur, die sie zu ihrem Schaffen inspiriert hat, hinter uns gelassen und sind auf der Spitze des Brockens.
Ein schlichter Stein, ein Brocken, der hier mal so eben in der Mitte von Deutschland 1142 Meter hoch in den stahlblauen Himmel ragt.
Nach zweieinhalb Stunden ist der Aufstieg geschafft und wir befinden uns in einer gänzlich anderen Welt, ihr könnt euch aussuchen, an was euch das erinnert:
entweder in einem James Bond aus der Zeit des kalten Krieges oder an eine Forschungsstation in der Arktis?
Wie Bühnenbilder verschieben sich auf diesem kleinen Ausflug die Realitäten.
Wir befinden uns in einer Parallelwelt, denn die »arktische Forschungsstation« war in Wirklichkeit eine gigantische Abhöreinrichtung des sowjetischen Geheimdienstes.
Offiziell lauschten hier die Genossen aus der DDR und sendeten von hier aus auch das Sandmännchen und das gesammelte DDR Fernsehprogramm, aber inoffiziell lauschten vor allem auch die Nachbarn aus Russland.
Die Anlagen kann man heute noch besichtigen, und nachdem man sich darüber amüsiert hat, was damals als modern galt und technisch ausgeklügelt und ganz weit fortgeschritten, kann man hier in kleinen Hütten eine heiße Erbsensuppe oder eine Thüringer Bratwurst essen.
Die Gastronomie hier oben auf dem Brocken hat viel gemein mit den Abhöranlagen, sie hat sich nicht wirklich verbessert.
Macht aber nichts, bei Kälte würgt man alles runter und unten im Tal, entweder im beschaulichen Schierke, in Wernigerode, in Quedlinburg oder in Ilsenburg gibt es leckeres Essen!!
Das haben wir uns dann aber auch wirklich verdient, vierzehn Kilometer bei diesen Bedingungen ist mega anstrengend, meine Beine fühlen sich nach dem Abstieg an wie Pudding, ein mindestens einwöchiger Muskelkater ist vorprogrammiert.
Wer sich schon ein Zimmer reserviert hat, ist kein Frühbucher, sondern schlichtweg schlau.
Denn die wirklich schönen Unterkünfte sind längst ausgebucht.
Viele Hotels und Pensionen erinnern immer noch an ein DDR Museum, aber das gibt dem Ausflug irgendwie auch den authentischen Touch.
Man findet aber auch individuell, gemütlich oder 5-Star im Ostharz.
Eine Auswahl möchte ich euch jetzt gerne vorstellen.
Ein Ausflug lohnt sich, entweder auf die spontane Tour, dann müsst ihr nehmen, was noch frei ist oder rechtzeitig geplant, dann könnt ihr sehr schön wohnen, habt aber vielleicht nicht unbedingt das Kaiserwetter.
Meine Tipps:
Schierke ist ein sehr beschauliches, süßes Örtchen mit Wintersportortcharakter, perfekt für Langläufer und Wanderer, denn von hier aus geht’s direkt los.
Der Kräuterhof und Das Brockenstübchen sind die Unterkünfte, die mir sofort aufgefallen sind.
Etwas weiter im hübschen Ort Wernigerode sind es das Hotel Weißer Hirsch oder das Hotel Am Anger.
Sehr edel schlafen und hervorragend essen kann man im Landhaus zu den rothen Forellen in Ilsenburg. Das einzige 5-Sterne Hotel im Harz an einem See, sehr romantisch!
Quedlinburg ist ein Muss! Wer hier das Gesamtpaket möchte: schönes Hotel, plus gute Küche, plus Wellness, plus Bar, der sollte sich das Romantikhotel am Brühl vormerken.
Klein, geschmackvoll und individuell, im Kunsthaus gibt es drei sehr gemütliche Zimmer in einem barocken Bürgerhaus und eine nette Wirtin, die liebevolles Frühstück serviert!
Das Hotel am Hoken ist eine schöne Alternative, zentral gelegen, mitten in der Altstadt schläft man hier in uraltem Fachwerk unter gemütlichen Balkendecken.
Mit Familie da? Dann solltet ihr euch die »Schlafgut Appartments«vormerken. Modern und gemütlich eingerichtet wohnt ihr in den Wohnungen Thymian, Lavendel , Zitronenmelisse, Minze, Liebstöckel, Kamille oder Ringelblume mit Kamin und gut ausgestatteter Küche.
Jetzt braucht ihr nur noch Wanderschuhe und das passende Wochenende,
ich wünsche euch viel Spaß dabei! Und ich werde auch wiederkommen, der Harz 2.0 hat es mir angetan!
XXX Michaela
Einen lieben Dank noch an Angie für die schönen Fotos aus Wernigerode!