Dieser Roman lässt sich vermutlich nur im Kontrast ertragen, dann nämlich, wenn man sich bei der Lektüre in eine warme Decke kuscheln kann oder am Strand in der Sonne liegt. Aber selbst dann sind die Unbarmherzigkeit der Natur und die Kälte zu spüren.
Louise und Ludovic wollen dem schnöden Alltag entfliehen. Statt Pariser Luft und ihrer monotonen Arbeit im Büro wollen Sie etwas hautnah erleben, ihre Körper spüren, Anstrengung, Erschöpfung, Ausdauer, Freude, kontrollierbare Risiken eingehen.
Mit einer Weltumseglung wollen sie ihren Durst nach Abenteuer stillen.
Monatelang tüfteln sie an ihrer Reiseroute und stechen schließlich mit dem perfekt ausgerüsteten Boot in See.
Alles läuft planmäßig, bis zu einem zunächst harmlosen Ausflug auf eine unbewohnte Insel vor Kap Horn, eine Insel, die als ausgewiesenes Naturschutzgebiet weder angesteuert noch betreten werden darf.
Als dort das Wetter plötzlich umschlägt, müssen sie Zuflucht suchen in einer verlassenen Walfangstation, nichtsahnend, dass diese spärliche Bretterbude für die nächsten Monate ihr Zuhause werden soll.
Denn nach dieser stürmischen Nacht machen sie eine schreckliche Entdeckung.
Ihre Yacht hat sich losgemacht und ist aus der Bucht verschwunden.
Wohl wissend, dass hier erst in ein paar Monaten wieder ein Forschungsschiff anlaufen wird, müssen sie ausharren in dieser kargen Natur und sich für die kommenden Wintermonate rüsten.
Aus dem Wunsch nach einem kontrollierten Abenteuer wird ein erbarmungsloser Kampf gegen Hunger und Kälte, der das Paar auf eine harte Probe stellt.
Was passiert mit der Liebe, mit Gefühlen oder schlicht der Moral in einer solchen Extremsituation?
Die französische Autorin Isabelle Autissier, die selbst als erste Frau alleine die Welt umsegelte, erzählt die fesselnde Geschichte über den Überlebenskampf eines verliebten jungen Paares. Ein Albtraum, der einen als Leser nicht loslässt und lange nachwirkt:
Herz auf Eis von Isabelle Autissier
Genre: Belletristik/ Roman aus dem Französischen von Kirsten Gleinig
Verlag: Mare, Hamburg
Seiten: 224
Bookclub-Rating: 3 Thumbs up!
Und wer mehr wissen will:
Durchaus nachvollziehbar, wenn man einmal aus dem wohlgeordneten Alltag ausbrechen will und seine Komfortzone verlässt:
»In den Abenteuern, von denen sie geträumt hatten, genügten ein Anruf mit dem Satellitentelefon, ein gut gefülltes Bankkonto, ein ausgereiftes Rettungssystem, um das Spiel zu beenden, bevor es zu weit ging.«
Doch was die Autorin dann beschreibt, ist nicht nur ein Kampf gegen die Natur, gegen Hunger und Kälte, sondern vor allem auch ein psychologisches Drama.
Wer hat Schuld an dem Schlamassel, aus dem es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt, wer übernimmt das Kommando und wer verfügt überhaupt über die Kompetenzen, fernab jeglicher Zivilisation zu überleben, wenn man Survival-Training sonst nur aus dem Fernsehen kennt?
»Unvorstellbar drastisch, fast schon gruselig«, nennt Johanna die Lektüre dieses Buches. »Und trotzdem habe ich den Roman in einem Zug durchgelesen, ungemein spannend empfand ich die Fragen, die sich später auch der Journalist gestellt hat. Was bedeutet es eigentlich, plötzlich auf sich allein gestellt zu sein, »in Zeiten globaler Kommunikation auf sich gestellt sein, einer feindlichen Umwelt gegenüberstehen, Intuition oder überlieferte Verhaltensmuster wiedererlernen?« Ein spannendes Buch, das einen schon beim Lesen an seine Grenzen bringt.«
»Dieser Überlebenskampf hat mich völlig in seinen Bann gezogen, besonders dieser eine Satz war für mich eine eindringliche Warnung: »Man weiß genug, um alles zu wagen, aber nicht genug, um alles zu meistern«. Ein unbedachter Moment, eine Nachlässigkeit, eigentlich nichts Schlimmes, als die beiden Liebenden den Ausflug auf die Insel wagen und doch eine fatale Fehlentscheidung. Die Frage nach dem: »wer hat Schuld«, eine Frage, die angesichts des bloßen Existenzkampfes im Hintergrund bleibt und doch den Roman bestimmt, weil es den Bruch der sonst intakten Beziehung einläutet.
Ein tolles Buch, keine leichte Gute-Nacht-Lektüre, aber höchst emotional mit starken Bildern!«, so Katrins Meinung.
Nur Bea war nicht so begeistert: »Der Roman war mir zu extrem, ich konnte danach kaum mehr einschlafen, die Bilder, die Isabelle Autissier heraufbeschworen hat, waren furchtbar und am Ende gab es so viele Fragen, die nicht beantwortet wurden. Ich habe mich selbst gefragt, was hätte man tun können? Auf der anderen Seite hätte ich mich nie auf ein solches Abenteuer eingelassen und diese Ausweglosigkeit im Angesicht des Todes hat mir Angst gemacht. Das war kein Roman für mich.«
Aber gerade weil man sich vielleicht nicht auf ein solches Abenteuer einlassen würde, ist es so spannend darüber zu lesen.
Auch wenn hier nicht alle Fragen beantwortet werden, dieses Buch ist ein Highlight, teils Abenteuerroman, teils Liebesgeschichte, teils Thriller und teils psychologisches Drama.
Die Fragen, die hier aufgeworfen werden, können gar nicht beantwortet werden, man kann sich nur selber fragen, was wäre wenn? Und vielleicht ist es dass, was einen emotional so erschüttert.
3 Thumbs up! von unserer Bookclubrunde und viel Spaß beim Lesen,
liebe Grüße aus der Sonne Griechenlands,
XXX Michaela
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